Den Betrieb auf Vordermann bringen

November 2020. Lockdown der Zweite. Nach der ersten Schockstarre kam vielleicht ein wenig Freude auf, endlich mal etwas Zeit zu haben. Für Dinge, die einem wirklich wichtig sind. Partner, Kinder, Familie. Durchatmen. Spaziergänge. Wie ungewohnt zu dieser Zeit. Bei den Gesprächen mit meinen Kunden aus den Branchen, die unmittelbar vom Lockdown betroffen sind kam vielfach auf, dass die Tage trotzdem voll sind mit organisatorischem Klein-Klein. Busy Tage und am Ende trotzdem das Gefühl, nichts geschafft zu haben. Und das Gedankenkarussell dreht sich unentwegt. Wie geht es weiter? Ich möchte Euch heute ermuntern die Zeit zu nutzen und mit Eurem Team den Betrieb auf Vordermann zu bringen, und zwar mit

dem Blick auf die innere Qualität – Eure ORGANISATION

Denn: Ihr könnt IM AUSSEN sprich am Kunden, am Gast auf Dauer nur so gut sein, wie Ihr IM INNERN funktioniert! Eine Verbesserung der Organisation bringt Euch einen nachhaltigen Nutzen, Klarheit, Schnelligkeit und Harmonie für das Miteinander im Team…

Schritt 1: Überprüft die Aufgabenlisten Eurer Mitarbeiter.

Das Instrument ist so simpel aber dennoch wahnsinnig effektiv. JEDER Mitarbeiter sollte eine eigene Aufgabenliste haben, die die regelmäßig wiederkehrenden (und das ist der Schwerpunkt!) Aufgaben definiert.

Geht so vor:

Verteilt an alle im Team die Vorlage „Aufgabenliste“.

Jeder schreibt aus seiner eigenen Sicht (wichtig, nicht vorgeben!) die Hauptaufgaben und die dazugehörenden regelmäßig wiederkehrenden Aufgaben auf. Per Brainstorming über einen Zeitraum von 1-2 Wochen.

Fragt Euch zu jeder Aufgabe:

  • Wie häufig tritt diese auf? Bei Bedarf / täglich / wöchentlich / monatlich / quartalsweise / halbjährlich / jährlich
  • Wer vertritt mich in dieser Sache?
  • Wie weit geht meine Kompetenz?
    Damit ist nicht das persönliche Können gemeint, sondern die Frage nach WIE WEIT KANN ICH IN DIESER SACHE GEHEN? Das kann ein Budget sein z.B. Thema Einkauf. Wo das nicht geht arbeite ich gerne mit sogenannten Kompetenzgraden. Drei Grade reichen völlig aus:
    Stufe 1) Ich handele eigenverantwortlich – ich kann völlig frei entscheiden. Ein weiterer Kontakt mit meinem Vorgesetzten ist nicht erforderlich.
    Stufe 2) Ich sehe mir die Sache an. Ich lasse meinen Vorgesetzten wissen, was ich tun will und halte Rücksprache. Ich handele nicht ohne sein Einverständnis.
    Stufe 3) Ich sehe mir die Sache an. Ich berichte meinem Vorgesetzten über alle Fakten und mache Vorschläge. Mein Vorgesetzter entscheidet dann, was zu tun ist.
  • Wo ist die Durchführung der Aufgabe beschrieben? Idealerweise kann hier ein Link zur Prozesswelt des Unternehmens eingesetzt werden (Verweis auf eine Verfahrensbeschreibung, Checkliste etc.)

Was nicht klar ist bleibt vorläufig frei.

Im nächsten Schritt wird die Liste mit der jeweiligen Führungskraft geklärt:

  • Was fehlt? Was ist zu viel?
  • Welche Aufgaben würde ich gerne abgeben, welche anderen dafür übernehmen?
  • Unklare Punkte besprechen
  • Struktur reinbringen, Hauptaufgaben definieren
  • Bei Führungskräften: Sind alle Führungsaufgaben – so wie vereinbart – vorhanden?
  • Vertretung vervollständigen
  • Kompetenz klären

Die Aufgabenliste sollte per Unterschrift vereinbart werden und wandert in die Teamakte. Eine Kopie bekommen die Vertretungen. Jährlich sollte die Aufgabenliste überarbeitet werden.

Die ultimative Verknüpfung der Aufgaben mit dem Tagesgeschäft kann nun über das individuelle Aufgabensystem erfolgen. Mit welchem arbeitest Du? Outlook-Aufgaben, ToDoIst, betriebsinterne Mitarbeiter-App? Egal mit welchem Tool, aber alle Aufgaben sollten nun Eingang darin finden.

Und warum sollte die Aufgabenliste nicht vorgegeben werden? Weil sonst Aufgaben nicht entdeckt werden, die „einfach so“ mitgemacht werden. Es geht hier um die Erfassung der IST-Situation um ein Werkzeug für Verbesserungen zu haben, nicht um die Darstellung einer perfekten Stellenbeschreibung.

Beispiel: Ich hab die Erarbeitungen der Aufgabenlisten bei einer Schreinerei (20 Mitarbeiter) begleitet. Der Produktionsleiter der Schreinerei hatte nun auf seiner Aufgabenliste „Handtücher und Klopapier Mitarbeiter-Toilette“ stehen. Gehört das auf seine Aufgabenliste? NEIN! Warum nicht? Ersten ist kann das schlichtweg nicht die Aufgabe des Produktionsleiters sein, sich um die Handtücher und Klopapier für die Kollegen zu kümmern (auch wenn es vielleicht sonst niemand macht! Der Kerl ist einfach zu gutmütig!) und zweitens ist er dafür zu teuer!

Wenn man also nicht Bottom Up vorgeht, also von unten nach oben, dann kommen solche Dinge NIE auf den Tisch und der freundliche Produktionsleiter würde sich heute noch um das Klopapier kümmern…

Schritt 2: Überprüft Eure interne REGEL-Kommunikation

Betriebe meeten sich entweder zu Tode oder es gibt Null Kommunikation. Das gesunde Maß liegt irgendwo dazwischen. Schließlich geht es zum einen zur Schaffung von Transparenz. Zitat Klaus Kobjoll: „Ein Mitarbeiter, der keine Information erhält, kann keine Verantwortung übernehmen; ein Mitarbeiter, der alle Informationen erhält, kann nicht umhin die volle Verantwortung zu übernehmen!“

Zum anderen binden Meetings wahnsinnig viele Ressourcen. Habt Ihr Euch schon mal überlegt was eine Stunde Führungskräftemeeting dem Betrieb kostet?

Geht so vor:

  • Erstellt zunächst eine Übersicht über Eure regelmäßig stattfindenden Meetings.
  • Welche sind es? Titel benennen
  • Wie lautet die Agenda für das Meeting? (oh là là… Ihr habt keine??)
  • Wer nimmt teil
  • Wann findet es statt
  • Wie lange dauert es (ja das lässt sich planen)
  • Und wie werden Ergebnisse dokumentiert und kommuniziert? Was geht digital? Bewährt haben sich Endlosprotokolle, die eine ganz wichtige Spalte enthalten: Den STATUS (erledigt, läuft, außer Plan)

Auch hier gilt es die IST-Situation darzustellen. Reichen die Meetings aus, um den Betrieb zu steuern? Welche kann man streichen? Was können wir verbessern? Klärt alle offenen Fragen und erstellt einen Aktionsplan WER macht WAS bis WANN.

Schritt 3: Habt Klarheit über Eure Prozesse und verbessert die Wichtigsten.

Wenn Du jetzt denkst: Das ist doch wahnsinnig aufwendig, dann hast Du Recht. ABER es sollte jetzt nicht darum gehen, ein umfassendes Organisationshandbuch zu schreiben, sondern zunächst eine schnelle Übersicht aller HAUPT-Prozesse zu haben, um im nächsten Schritt die wirklich wichtigen zu verbessern. Ziel sollte sein: Alle regelmäßig wiederkehrenden Abläufe im Betrieb, Eure Standards zu dokumentieren und zu vereinbaren.

Geht so vor:

Am besten gründet Ihr eine Arbeitsgruppe, bestehend aus den Führungskräften plus Freiwilligen aus dem Team.

Im ersten Meeting der Arbeitsgruppe baut Ihr Euer Prozesshaus. Dieses besteht aus drei Ebenen: Erdgeschoss, Dachgeschoss und Fundament. Im Erdgeschoss sind Eure Wertschöpfungsprozesse angesiedelt, also die Prozesse, die auf den Kunden ausgerichtet sind und für diesen auch sichtbar. Mit den Wertschöpfungsprozessen verdient Ihr – wie der Name sagt – Euer Geld. Stellt Euch vor, dass Eure Kunden / Gäste links und rechts vom Haus unterwegs sind. Sie bringen links einen Input rein… Dann passiert etwas im Erdgeschoss und rechts kommt ein Output beim Kunden raus. Das ist Eure Wertschöpfungskette. Im Dachgeschoss sind die Managementprozesse angesiedelt. Diese haben die Aufgaben, optimale Rahmenbedingungen zu schaffen, damit im Erdgeschoss Wertschöpfung generiert werden kann. Im Fundament sind die Unterstützungsprozesse. Diese sichern das nötige Umfeld dafür, dass Wertschöpfung optimal läuft. Die Kunden bzw. Gäste sehen also nur die Wertschöpfungsprozesse. Dennoch braucht es alle Prozesse im Betrieb, damit der Laden rund läuft und sich gesund weiter entwickeln kann.

Jetzt bestimmt Ihr Eure Hauptprozesse und setzt sie in das richtige Geschoss. WICHTIG an dieser Stelle: Hier bedeutet NICHT je weiter oben desto wichtiger! Sondern die Einordnung in drei Geschosse ist lediglich eine Form der Kategorisierung, es soll die Prozesse strukturierbar machen und sagt NICHTS über die Wichtigkeit aus. Am besten auf ein Flipchart ein Haus skizzieren. Auf große Post Its kommen die Hauptprozesse. So könnt Ihr leicht umsortieren.

Klassischerweise gibt es diese Hauptprozesse:

  • Im Dachgeschoss: Strategische Planung, Unternehmen entwickeln, Mitarbeiterführung, Controlling, Innovation
  • Im Erdgeschoss: Produkte/Dienstleistungen vermarkten, Aufträge ausführen, Serviceleistungen erbringen
  • Im Fundament (nicht Keller!): Verwaltung, Instandhaltung, Einkauf, IT

Das Prozesshaus sieht für jeden Betrieb anders aus!

Im nächsten Schritt bestimmt Ihr die Verantwortlichen für jeden Prozess, spricht die Prozesseigner. Das sollten diejenigen sein, die das größte Interesse am Funktionieren des Prozesses haben. Schreibt das jeweilige Namenskürzel auf die Post Its. An dieser Stelle kann es erste interessante Erkenntnisse geben… Nämlich wenn z.B. die Geschäftsleitung sich für alles zuständig fühlt!  Was könnt Ihr für Euch daraus ableiten?

Im Anschluss gebt Ihr Euren Hauptprozessen eine Nummer. Überlegt Euch wie die beste Reihenfolge für Euch wäre, z.B. einfach von oben nach unten durch, oder beginnend bei den Wertschöpfungsprozessen, oder Sortierung nach den Kategorien (z.B. M1 für Managementprozess Strategische Planung, W1 für Marketing, U1 für Verwaltung usw.).

Und schon habt Ihr mit einem Wurf eine komplette Struktur für Eure Prozesswelt!

Stellt Euch vor, dass diese Hauptprozesse sich weiter verzweigen können in Teilprozesse, Verfahrensanweisungen, Checklisten etc. Diese können nun entsprechend zugeordnet werden. Nochmal: Ziel sollte sein, ALLE regelmäßig wiederkehrenden Abläufe und Standards zu beschreiben. Insbesondere bei den Managementprozessen jedoch muss das Rad nicht neu erfunden werden, hier darf man sich gerne an Best Practice Beispielen orientieren.

Erfahrungsgemäß macht es an dieser Stelle Sinn eine Reihenfolge für die Erarbeitung festzulegen.

Fragt Euch zwei Dinge:

  1. Welche Auswirkung hat der Hauptprozess auf die Strategischen Ziele des Unternehmens, keine oder eine hohe? (möglicherweise müsst Ihr an dieser Stelle überhaupt erstmal Eure strategischen Ziele klären…)
  2. Wie gut läuft der Prozess? Seid Ihr bereits gut in der Umsetzung – oder gibt es Verbesserungspotentiale?

Macht am besten wieder eine Skizze auf ein Flipchart und klebt die Hauptprozesse in das jeweilige Feld. Daraus könnt Ihr ableiten:

Feld 1: Der Prozess ist strategisch wichtig, die Umsetzung ist schlecht: Verbesserungsmaßnahmen dringend nötig! Dieses Feld als erstes angehen…

Feld 2: Der Prozess ist strategisch wichtig, die Umsetzung ist gut: Hohe Leistung aufrechterhalten

Feld 3: Der Prozess ist strategisch nicht wichtig, die Umsetzung ist schlecht: Auf Mindestanforderungen aufbessern!

Feld 4: Der Prozess ist strategisch nicht wichtig, die Umsetzung ist gut: Reduzierung von Zeit/Aufwand prüfen

Auf diese Art und Weise erhaltet Ihr eine sofortige Priorisierung. Wie geht Ihr vor? Vereinbart eine Reihenfolge und legt fest: Wer macht was bis wann?

Und wie sollen die Prozesse nun dokumentiert werden? Meine Empfehlung lautet: Der Prozess sollte für jemanden, der das notwendige fachliche Know How mitbringt, verständlich sein. Es bringt also nichts einen Ablauf an der Reception so erklären, dass ein Koch alle Untiefen sofort versteht. Und umgekehrt auch nicht.

Bei der Form scheiden sich die Geister. Flow Charts sind toll, sind aber sehr aufwendig in der Erstellung. Verliert Euch nicht in Kästchenmalerei. Und sie verraten meist nur die halbe Wahrheit, nämlich nur die Frage nach WAS ist zu tun. Wichtig ist allerdings auch WER, WOMIT und WANN wird der Schritt erledigt.
Falls noch nichts vorhanden ist benutzt ganz einfach eine Tabelle mit den entsprechenden Spalten. Zuerst sammelt Ihr den Ablauf, fragt Euch WAS ist zu tun. Am besten auch hier wieder mit Post Its arbeiten! Im nächsten Schritt schaut Euch Zeile für Zeile nochmals an und fragt Euch zu jedem Schritt WER, WOMIT (Vorlagen? Software?), WANN? Hier gilt es vor allem Regelmäßigkeiten aufzudecken, z.B. jeden 1. des Monats, am gleichen Werktag, Wiedervorlage nach einer Woche etc. Nutzt wo immer es geht Bilder bzw. Screenshots, auch Videos sind super! Einfach mit der Handykamera und entsprechend zuordnen. Z.B. wie öffnet und schließt man den riesigen Sonnenschirm im Biergarten. Da macht ein Video mehr Sinn als eine aufwendige schriftliche Dokumentation 😉

Wichtig ist weiterhin: Beschreibt zunächst den IST-Zustand. Auch wenn er hässlich ist. Das Wunschdenken kommt erst im nächsten Schritt, nämlich bei der Verbesserung der Abläufe.

Überlegt Euch:

  • Was können wir aus Kunden – aus Gast-Sicht verbessern? Wie können wir unsere Kunden begeistern und unsere Servicequalität steigern?
  • Aus Mitarbeiter-Sicht: Wie können wir den Ablauf vereinfachen? Kill a stupid rule!
  • Aus unternehmerischer Sicht – Work it Boss: Wie können wir die Wirtschaftlichkeit verbessern? Was geht schneller, wo können wir sparen, wo lässt sich das Ergebnis verbessern?
  • Und last but not least: Was lässt sich digitalisieren?

Zur Steuerung bitte wieder einen Aktionsplan vereinbaren: WER macht WAS bis WANN. Strukturierte Abläufe bringen Klarheit und Sicherheit für alle Beteiligten!

Business ohne Brimborium: So viel Organisation wie nötig, so wenig wie möglich!

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