Rechnungswesen & Controlling für Führungskräfte im Mittelstand: Wie Du mit Klarheit führst, ohne die Menschlichkeit zu verlieren

Es war die Nacht des 6. Februar 1996, als Birgenair Flug 301 in Puerto Plata abhob.
189 Menschen waren an Bord: 176 Passagiere, 13 Crewmitglieder.
Im Cockpit saß Kapitän Ahmet Erdem, ein erfahrener Pilot, der wusste, wie man ein Flugzeug sicher durch schwierige Situationen bringt.

Der Start war ruhig. Die Boeing 757 beschleunigte gleichmäßig, hob sauber ab – doch nur wenige Sekunden später begannen die Anzeigen im Cockpit, sich gegenseitig zu widersprechen. Die Geschwindigkeit zeigte erst viel zu hohe, dann viel zu niedrige Werte an. Niemand konnte mehr sagen, welche Anzeige korrekt war.

Was war passiert?

Die Ursache lag später offen zutage:
Eine Pitot-Sonde – ein kleines Messrohr außen am Flugzeug, das die Geschwindigkeit anhand des Luftdrucks misst – war verstopft.
Wenn dieses unscheinbare Bauteil blockiert ist, liefert es falsche Werte, und das Cockpit bekommt keine verlässlichen Geschwindigkeitsdaten mehr.

Ohne funktionierende Pitot-Sonde kann ein Pilot nicht erkennen, ob das Flugzeug zu langsam ist (und abstürzen könnte) oder zu schnell (und strukturell überlastet wird). Die Geschwindigkeit ist eines der wichtigsten Instrumente überhaupt – und sie war in dieser Nacht nicht mehr vertrauenswürdig.

Kapitän Erdem blickte auf drei Anzeigen.
Doch keine davon sagte eindeutig die Wahrheit.

Die Maschine raste durch die tropische Nacht – im Nebel der Ungewissheit, geführt von Instrumenten, die nicht mehr funktionierten.

Nicht die Erfahrung des Piloten brachte die Maschine in Gefahr.
Nicht die Motivation der Crew.
Nicht ein Fehler im Umgang mit dem Flugzeug.

Es war der Verlust verlässlicher Informationen – ein fehlendes Cockpit im entscheidenden Moment.

Wenige Minuten später stürzte das Flugzeug ins Meer.
Niemand überlebte.

Und doch erzählt dieser tragische Moment eine Wahrheit, die für die Unternehmenswelt gilt:

Niemand scheitert, weil er nicht führt – sondern wenn er ohne Instrumente führen muss.

Führung im Mittelstand: Nähe, Engagement – und oft zu wenig Sichtbarkeit

Führungskräfte in kleinen und mittelständischen Unternehmen spüren die Entwicklungen ihres Unternehmens oft intuitiv. Sie sind nah an ihren Teams, nah an den Kunden, nah am Tagesgeschäft. Das ist ein Vorteil – denn Nähe schafft Vertrauen, Menschlichkeit und Geschwindigkeit.

Doch diese Nähe hat eine Kehrseite:
Je näher wir an der Oberfläche sind, desto weniger sehen wir darunter.

Viele Führungskräfte kennen Situationen, in denen Projekte gut wirken, aber am Ende keine spürbare Wirkung erzeugen. Oder Phasen, in denen der Umsatz stabil aussieht, während das Team bereits am Rand seiner Kräfte arbeitet. Manchmal kippt die Stimmung, ohne dass die Zahlen es widerspiegeln.
Dann ist es, als würde das Unternehmen fliegen – aber im Nebel.

Nicht, weil jemand etwas falsch macht.
Sondern weil wichtige Informationen fehlen.

Controlling heißt: in Daten denken – ohne den Menschen aus dem Blick zu verlieren

Gefühl, Haltung, Kultur, Vertrauen – all das ist nicht vollständig messbar.
Und trotzdem brauchen Unternehmen Orientierung.

Wenn wir nur das tun, was messbar ist, verpacken wir lediglich alte Abläufe neu, statt wirklich Neues zu schaffen. Trotzdem behalten die sprichwörtlichen „Erbsenzähler“ am Ende das letzte Wort. Die Frage ist nur:

Zählen wir die richtigen Erbsen – oder die falschen?

Controlling ist keine Mathematikübung, sondern ein Haltungsthema.
Ein Controlling-Mindset bedeutet:

  • Zahlen dienen nicht der Bewertung, sondern dem Lernen.
  • Kennzahlen machen nicht Druck, sondern schaffen Klarheit.
  • Daten ersetzen nicht die Intuition, sondern ergänzen sie.

Arbeiten mit Zahlen ist eine Lerndisziplin.
Eine gemeinsame.
Eine, die Teams stärkt und Führung entlastet.

Rechnungswesen ist die Sprache des Unternehmens

Während der Alltag laut und voller Details ist, sagt das Rechnungswesen die Wahrheit – nüchtern, klar, ohne emotionale Filter. Es zeigt, wie Prozesse wirken, welche Entscheidungen Erfolg hatten, wo Ressourcen verloren gingen und welche Entwicklungen tatsächlich eingetreten sind.

Rechnungswesen bedeutet nicht „rechnen“.
Es bedeutet:

  • die Wirkung eigener Entscheidungen zu sehen,
  • die inneren Zusammenhänge des Unternehmens zu verstehen,
  • die Geschichte hinter den Abläufen sichtbar zu machen.

Wer die Sprache des Rechnungswesens beherrscht, erkennt nicht nur, was passiert ist – sondern auch, was passieren wird, wenn nichts verändert wird.

Es ist das Nervensystem des Unternehmens.

Zahlen erzählen Geschichten – und gute Geschichten verbinden Herz und Verstand

Zahlen wirken häufig kalt. Doch das Gegenteil ist der Fall: Sie sind ehrlich.
Sie zeigen, was wirklich passiert ist, ohne jemanden zu beschuldigen.

Hinter jeder Kennzahl steckt eine Geschichte.

Eine Zahl ist nie ein Urteil.
Sie ist ein Hinweis.
Eine Einladung, tiefer zu schauen.

Wenn Führungskräfte lernen, die Geschichte hinter der Zahl zu verstehen, entsteht aus Information Erkenntnis – und aus Erkenntnis Veränderung. Nicht nur rational, sondern auch emotional. Und erst in dieser Verbindung entsteht echte Wirkung.

Kennzahlen werden erst wirksam, wenn sie gemeinsam interpretiert werden

Eine Zahl, die niemand liest, bleibt bedeutungslos.
Eine Zahl, die gelesen wird, aber nicht verstanden wird, bleibt wirkungslos.
Erst die Interpretation macht eine Kennzahl zu einem Führungsinstrument.

Daten sind dabei keine Gegner des Teams – sie sind ihre Berater.
Sie zeigen Muster, die im Arbeitsalltag unsichtbar sind.
Sie verdeutlichen Zusammenhänge, die man fühlen, aber nicht benennen kann.
Sie unterstützen Entscheidungen, die sonst auf Bauchgefühl basieren müssten.

Wenn Führungskräfte und Teams regelmäßig gemeinsam auf Zahlen schauen, entsteht kein Kontrollmoment, sondern ein Lernmoment. Die Haltung ändert sich: von „Was läuft schief?“ zu „Was können wir verstehen?“

Motivation entsteht durch Sichtbarkeit – nicht durch Druck

Menschen wollen gesehen werden.
Sie wollen spüren, dass ihre Arbeit etwas bewirkt.
Und sie wollen verstehen, welchen Anteil sie am Unternehmenserfolg haben.

Patrick Lencioni beschreibt drei Gründe, warum Menschen innerlich kündigen:

  1. Sie fühlen sich unsichtbar.
  2. Sie erkennen keinen Sinn.
  3. Sie können ihren eigenen Beitrag nicht messen.

Gerade in KMU passiert das ungewollt – oft, weil die Nähe im Alltag paradoxerweise Blindstellen erzeugt.

Kennzahlen können diese Blindstellen auflösen.
Sie machen sichtbar, was vorher übersehen wurde.
Sie zeigen Wirkung.
Sie machen Fortschritte fühlbar.

Und wenn jemand sieht, was er jeden Tag bewirkt, entsteht Motivation, die sich von innen heraus entfaltet.

Das Rechnungswesen-Team verdient Sichtbarkeit

Es gibt einen Bereich im Unternehmen, der häufig im Schatten steht:
das Rechnungswesen.

Dabei liefern gerade diese Menschen die Grundlage für jede fundierte Entscheidung. Sie werten aus, ordnen zu, machen sichtbar und geben Orientierung. Doch ihre Arbeit wird selten wahrgenommen – obwohl ohne sie nichts geht.

Wie kann das Team sichtbarer werden?

Indem das Rechnungswesen beginnt, nicht nur Zahlen zu liefern, sondern Geschichten zu erzählen. Indem es Trends erklärt, Zusammenhänge sichtbar macht und Führungskräfte frühzeitig auf Entwicklungen hinweist. Indem es verständliche Sprache nutzt, statt Fachjargon. Und indem es aktiv den Kontakt zu den Bereichen sucht, die von den Zahlen betroffen sind.

Was können Teams tun?

Sie können Fragen stellen, bevor Probleme entstehen. Sie können das Rechnungswesen einbeziehen, wenn Entscheidungen vorbereitet werden. Und sie können lernen, Zahlen als Verbündete zu begreifen – nicht als Kontrolle.

Und was kann der Head of Finance tun?

Ein guter Head of Finance führt nicht über Tabellen, sondern über Verständlichkeit. Er übersetzt komplexe Zusammenhänge in klare Botschaften. Er zeigt, warum bestimmte Entwicklungen wichtig sind und welche Bedeutung sie für den Alltag haben. Er macht sichtbar, was vorher unsichtbar war – und gibt seinem Team die Bühne, die es verdient.

Sichtbarkeit stärkt das Vertrauen.
Vertrauen stärkt die Zusammenarbeit.
Und Zusammenarbeit stärkt das gesamte Unternehmen.

Ursache-Wirkungs-Beziehungen erkennen: die wichtigste Kompetenz moderner Führung

Moderne Führung braucht weniger Information, als wir denken – aber sie braucht die Fähigkeit, das Wesentliche zu erkennen.

Wenn Führungskräfte Muster lesen und Entwicklungen deuten können, entsteht eine neue Qualität der Führung: proaktiv statt reaktiv, klar statt hektisch, gelassen statt überfordert.

Wer Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge versteht, erkennt früh:

  • wann Belastungen entstehen
  • wann Stimmungen kippen
  • wann Qualität nachlässt
  • wann Kapazitäten fehlen
  • wann zu langsam Wertschöpfung erzeugt wird
  • wann an den falschen Dingen gearbeitet wird.

So entsteht Führung, die trägt – auch in schwierigen Zeiten.

Führen mit Instrumenten – statt im Blindflug

Ein Unternehmen ohne Controlling ist wie ein Flugzeug ohne Cockpit.
Es kann funktionieren – bis es das irgendwann nicht mehr tut.

Mit einem klar strukturierten Kennzahlen-Cockpit verändert sich die gesamte Führung:
Entscheidungen werden leichter, Gespräche klarer, Konflikte seltener, Ergebnisse stabiler. Das Team gewinnt Sicherheit, weil jeder versteht, wo das Unternehmen steht und wohin es sich entwickelt.

Führung fühlt sich dann nicht mehr an wie ein Flug durch dichten Nebel.
Sie wird zu einem bewussten, sicheren und menschlichen Steuern – mit zuverlässigen Instrumenten.

Das ist moderne Führung im Mittelstand.
Das ist wirtschaftliche Stärke.
Und das ist Menschlichkeit mit Struktur – genau die Kombination, die Unternehmen zukunftsfähig macht.

ROCK your business!

Eure Meike

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